Mission Maria

Über die Armen Seelen

Von Rüdiger Plantiko

Mitten im Leben vom Tod umfangen

Sehr viele Menschen haben, wenn der Tod sie ereilt – und er hat bisher noch niemanden vergessen – den Kopf noch voll mit Tausenden von Alltagsdingen, mit ihren kleinen Themen, mit denen sie sich von Tag zu Tage hangeln. Da sind körperliche Bedürfnisse, die Familie, die Standespflichten, die Arbeit, die Vergnügungen des Feierabends. All dies wird nun unwichtig – von einem Moment auf den anderen. Plötzlich ist der verwesliche Leib von ihnen abgefallen, und es ist nur noch die Seele da – Bewußtsein, Geist, Denken, auch Fühlen und Wollen, aber alles in einer gewandelten, auf Gott hin orientierten und von Ihm her gespeisten Seinsweise. All die Dinge, von denen wir uns auf Erden dominieren ließen, sind von einem Moment zum nächsten völlig irrelevant. Statt dessen steht die eine Frage bohrend da: habe ich im vergangenen irdischen Leben mit meiner Liebe auf die Liebe desjenigen geantwortet, der mich ins Dasein setzte, der mich in jedem Moment meines Lebens hielt und mich immer wieder und auf alle möglichen Weisen zu sich rief? Habe ich Ihm angehangen, mich mit Ihm verbunden – oder habe ich mich stolz eingekapselt in meinem Leben, mir alles selbst zugeschrieben, nichts Höheres über mir anerkannt? 

Nach dem Tode: drei Einstellungen

Nun ist die Welt vergangen, Zeit und Raum versinken beim Übergang ins ewige Nun – jedenfalls für mich persönlich. Die Theologen sprechen vom “persönlichen Gericht”, in dem wir nach dem Tode beurteilt werden (siehe Hebr 9,27). Wie werde ich hinübergehen? Das hängt davon ab, was ich mir in meinem gerade vergangenen Leben zur Gewohnheit gemacht habe. Werde ich zu meinem Schöpfer hineilen, voller Freude, von den Hemmnissen des unvollkommenen, vergänglichen Leibes ganz befreit zu sein, beinahe berstend in der Vorfreude, Ihm bald so nahe sein zu können wie es in der irdischen Welt nie möglich war? Oder spüre ich Ihn wenigstens noch ganz in der Ferne, voller Sehnsucht, wenn nun all die anderen, ach so wichtigen Dinge von mir abschmelzen? Oder – auch das ist leider möglich: hatte ich mich im Leben bereits so verhärtet, daß ich erwarte, auch in diesen neuen Umständen bitte sehr ein selbstbestimmtes Leben führen zu können – wenn das nicht möglich ist, werde ich mich über den Veranstalter beschweren, der mir diese ungerechten Verhältnisse beschert! 

Nichts Unreines kann in den Himmel eingehen

Die Armen Seelen sind die, die sich auf Erden zwar mit Gott verbunden haben, aber doch oft die falschen Prioritäten setzten und Unwichtiges zu wichtig nahmen. In Gedanken, Worten und Werken waren sie zu wenig bei Gott, sondern oft bei eitlen Dingen, über die sie in der herannahenden Gegenwart Gottes nun eine brennende Scham erfüllt – und der tiefe Wunsch, abzugelten und wegzuschmelzen, was noch unrein in ihnen ist. Zugleich lebt in ihnen schon die Vorfreude auf die beseligende Schau Gottes – und es ist dies eine gewaltige Vorfreude von einer nie vorher erlebten Stärke. Sie spüren, sie sind gerettet, denn sie haben die Gottesliebe in sich. Das sind die “Freuden des Fegefeuers”. Aber es ist zugleich auch wahr: “Nichts Unreines kann in den Himmel eingehen” (Offb 21,27) – die Seele spürt es selbst, daß sie noch nicht würdig ist. Sie findet es daher völlig richtig, im Fegefeuer zu sein, denn sie hat sich in ihrem Willen nun vollständig mit Gottes vollkommen gerechten Ratschluss verbunden. 

Die Barmherzigkeit des Fegefeuers

Wie die heilige Katharina von Genua (1447-1510) in ihrem Traktat über das Fegefeuer erklärt, liegt der Schmerz des Fegefeuers im Gewahrwerden der eigenen Unvollkommenheiten beim Herannahen der göttlichen Wesenheit, die “von solcher Reinheit und Lauterkeit ist, und zwar weit mehr, als sich der Mensch überhaupt vorstellen kann, so dass die Seele, die eine so minimale Unvollkommenheit an sich hätte, als der kleinwinzigste Splitter groß ist, sich so schnell als möglich in tausend Höllen stürzen würde, um ja nicht mit diesem ganz minimalen Makel in Seiner Gegenwart zu erscheinen. Da sie aber sieht, dass das Fegefeuer dazu bestimmt ist, diese Makel zu beheben, so stürzt sie sich da hinein und es scheint ihr, große Barmherzigkeit darin anzutreffen, sich von dem in ihr vorhandenen Hindernis auf diese Weise befreien zu können. Von welcher Bedeutung die Läuterung im Fegefeuer ist, kann eigentlich keine Zunge schildern und kein Herz erfassen außer der Tatsache, daß das Fegefeuer eine ähnlich schmerzliche Strafe ist wie die Hölle; und doch sehe ich zugleich, dass die Seele, die in sich einen solchen Makel verspürt, die Qual des Fegefeuers als Barmherzigkeit Gottes entgegennehmen würde im Vergleich zu jenem Makel, der sie in ihrer Liebe behindert.”

Fürbittgebet für die Armen Seelen

Die Schmerzen, die die Armen Seelen durch das Wegbrennen dieser Makel erleiden, müssen furchtbar sein. Aber für sich selbst können die Armen Seelen nun nichts mehr tun, denn ihr Willen ist bereits ganz auf Gott hin eingeschwungen. Wir aber, die wir noch im Leibe sind, können Gottes Barmherzigkeit anrufen, daß Er die Leiden der Armen Seelen mindern möge. 

Mögen wir in der Novemberstimmung, in der uns die Wirklichkeit der Toten so zum Greifen nahe sein kann, uns mit unseren Verstorbenen verbinden und für sie um die Gnade Gottes beten! Sie können zwar nichts mehr für sich selbst tun, aber wie die Heiligen können auch die Armen Seelen uns mächtige Fürbitter sein vor Gott. Die Glieder der Kirche, des geheimnisvollen Leibes Christi, stehen in einem lebendigen Austausch. Wie wichtig es ist, die Gemeinschaft mit den Ahnen zu suchen und gemeinsam mit ihnen hier auf Erden unseren geistlichen Kampf zu kämpfen, das wird uns in seiner vollen Tiefe wohl erst aufgehen, wenn wir selbst ins Gericht eingehen.

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