Von P. Martin Ramm (FSSP)
Beginnen wir die Betrachtung zum dritten freudenreichen Geheimnis da, wo die Geschichte von Bethlehem beginnt! Gemäß alter Überlieferung sind die Hirtenfelder dieselben Felder, auf denen einst Ruth Ähren las (vgl. Ruth 4,21). Ährenlesend wurde sie zur Frau des Boas und zur Stammmutter des Hauses David, aus welchem der Erlöser hervorgehen sollte, der von sich selbst sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist“ (Johannes 6,51).Nicht umsonst bedeutet der Name Bethlehem „Haus des Brotes“, und Christus fand sein erstes Lager in einer Futterkrippe (vgl. Lukas 2,7)
Ist es nicht ein schönes Detail, dass Beit Sahour, das Heimatdorf der Hirten, bis heute ein überwiegend christliches Dorf ist? Es liegt am Fuß des Hügels von Bethlehem. Hier erklangen in der Heiligen Nacht die Worte des Engels: „Fürchtet euch nicht, denn seht, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volk zuteil wird: Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, welcher Christus, der Herr, ist.“ Der „Lichtglanz Gottes“ umstrahlte sie, und das „Gloria“ der Engel hallte in ihren Seelen wider, als sie zueinander sprachen: „Lasst uns hinübergehen nach Bethlehem und schauen dies Wort, das geworden ist, dass der Herr uns gezeigt hat.“ Den Rosenkranz in der Hand, dürfen wir die Hirten begleiten. Es war ein Weg von einer guten halben Stunde, und es ging ziemlich steil bergauf. Und dann fanden sie ihn mit Maria und Josef. Mit erleuchteten Herzen brachten sie ihm ihre Huldigung dar und taten so wunderbare Worte kund, dass sogar Maria staunte. Und was tat sie? Sie tat genau das, was auch wir rosenkranzbetend tun sollen: „Sie bewahrte all diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen“ (Lukas 2,19).
Wer heute nach Bethlehem pilgert, findet die Geburtskirche so hell und schön, wie die Menschen sie in den letzten Jahrhunderten nicht sehen durften. Seit dem Jahr 2017 hat man sie nämlich mit großem Aufwand nach allen Regeln der Kunst restauriert, und mancher verborgene Schatz ist wieder sichtbar geworden. Es ist eine Freude, dies anzuschauen! Die Geburtskirche ist eine der ältesten Kirchen der Christenheit. Vieles geht direkt auf Kaiser Konstantin zurück, und wie sie heute dasteht, hat Kaiser Justinian I. sie im Jahr 540 erbaut.
Vom Vorplatz her kommend, tritt man durch das „Tor der Demut“, jene nur 1,20 Meter hohe Eingangstür, die jedem Pilger unmissverständlich sagt: Mache dich klein, du stolzer Mensch, wenn du zu Gott hintreten willst, der für dich ein Kind geworden ist. Seitlich des Altarraums führen Stufen in jene Grotte hinab, in welcher das ganze Jahr über Weihnachten ist. Ein silberner Stern trägt die Aufschrift: „Hier ist von der Jungfrau Maria Jesus Christus geboren worden.“ Dass dieser Stern genau vierzehn Zacken hat, erinnert sowohl an die dreimal vierzehn Generationen aus dem Stammbaum Jesu (Matthäus 1,17) als auch an die vierzehn Stationen des Kreuzweges, den der Heiland für uns gegangen ist.
Hier kniet man anbetend nieder, wie einst die Hirten es taten. In der Mitte des Sterns ist ein Loch. Durch dieses Loch hindurch berührt man den Stein, und der betende Pilger spürt, dass auch ihn dieser Stein berührt. Doch viel mehr noch als der Stein berührt ihn das Mysterium des großen Gottes, der sich ihm in Gestalt eines kleinen Kindes von der Krippe aus entgegenstreckt.