Mission Maria

Die Darstellung Jesu im Tempel

Von Moritz Meschler S.J. (1830-1912)

Am 2. Februar feiert die Kirche das Fest der Darstellung des Herrn (auch Mariรค Lichtmess oder Mariรค Reinigung genannt, der alte Festname ist Purificatio Beatae Mariae Virginis), ausgehend vom biblischen Bericht รผber dieses Ereignis in Lk 2,22-39. Um die folgenden Ausfรผhrungen besser zu verstehen, empfiehlt es sich, zunรคchst diesen Evangelientext zu lesen.

Die rituelle Zeremonie der Darstellung (oder Reinigung), die am 40. Tage nach der Geburt eines Knaben begangen wurde, «war die tatsรคchliche Anerkennung des Eigentumsrechtes Gottes รผber das Volk Israel. Gott ist ja der Urheber alles Kindersegens. Infolge der Rettung und Erlรถsung des Volkes aus der รคgyptischen Knechtschaft aber war Israel besonderes Eigentum Gottes geworden. Um dieses Eigentumsrecht zu betรคtigen, hatte Gott anstelle des ganzen Volkes sich die Leviten zum besonderen und fortwรคhrenden Dienst auserwรคhlt (Num 8,16-17); ferner sollte alle Erstgeburt, sei es aus Menschen oder Tieren, ihm dargestellt werden…»

«Warum sollte sich nun der Herr dieser Zeremonie unterwerfen? Nicht weil er an und fรผr sich musste. Kein positives Gebot band ihn, und durch die Vereinigung der menschlichen Natur mit der zweiten Person in der Gottheit war er so Gott geweiht, wie es durch keine Zeremonie geschehen konnte. Aber das Geheimnis seiner gรถttlichen Natur war noch nicht bekannt, und so wollte er kein ร„rgernis, sondern im Gegenteil ein Beispiel der Demut, des Gehorsams und des Eifers geben, Gott durch alle verordneten Religionszeremonien zu ehren und durch Vereinigung mit seinem unendlichen Verdienst alle Gottesverehrung zu vollenden. Jede Gelegenheit benutzte er, Gott zu ehren und sich Gott fรผr uns zu opfern. Eigentlich wurde er auch gar nicht losgekauft. Die fรผnf Sikel [der Geldbetrag, mit dem das Kind in der Zeremonie losgekauft wurde] sind nur das Unterpfand seiner heiligen fรผnf Wunden.»

«Wie brachte sich der Heiland dem Vater dar? Vor allem also freiwillig, dann durch die Hand des alten Priestertums, endlich mit groรŸer innerer Andacht. Was ging im Herzen des Heilandes vor, als der Priester ihn erhob und Gott darstellte? Es waren die gewohnten Akte der Anbetung, des Danks und der Aufopferung, aber mit stets neuer Liebesglut. Es war ein groรŸer und herrlicher Opferakt – noch nie war in diesem Tempel ein grรถรŸeres Opfer Gott dargebracht worden. Den Tempel, die ganze Erde und den ganzen Himmel durchstrahlte seine Herrlichkeit. Ob der Priester dieses Weiheaktes, die Priester alle und alle Anbeter des Alten Bundes nicht ein freudiges Ahnen empfanden, als der Heiland emporgehoben wurde? Ob sie sich nicht geistig einfanden, um die Armut und Unzulรคnglichkeit ihrer Anbetung und ihres Opferdienstes durch die Herrlichkeit dieses Opfers zu ergรคnzen? Und ob nicht der ganze Himmel und die heiligste Dreifaltigkeit sich wohlgefallend herabneigte?»

Der Ort der Darstellung des Herrn war zugleich der Ort seiner Offenbarung – wie der Evangelist berichtet, sprach der Heilige Geist durch Simeon und Anna, zwei geachtete und als heilig angesehene Personen, die bei der Zeremonie zugegen waren, und machte den Umstehenden bekannt, mit wem sie es hier zu tun hatten. «Simeon nennt den Heiland einfach das verheiรŸene Heil aller Vรถlker, die Glorie des auserwรคhlten Volkes, und das Licht, das alle Vรถlker erleuchtet. Der Heiland ist der eigentliche Mittelpunkt aller Kirchen- und Weltgeschichte: was gerettet in den Himmel geht, verdankt ihm die Rettung; was zugrunde geht, holt sich die Verdammung an ihm. So wird auch Israel an ihm sich entscheiden, welch ein Geist es beseelt, ob wahre Frรถmmigkeit oder heuchlerische Selbstsucht. Und wie Israel, so die ganze Menschheit. Christus ist das Zeichen des Widerspruchs und der Stein des AnstoรŸes. Am Kreuze wird der Kampf entbrennen und sich verbreiten รผber die ganze Welt und alle Zeiten.»

Aber wenn «der Heiland das Zeichen des Widerspruchs ist, so ist er es nicht allein. Die Mutter steht bei ihm. Auch sie trifft das Schwert, das ihren Sohn durchbohrt, und deshalb hat sie teil an der Glorie und Verherrlichung ihres Sohnes. Nicht bloรŸ Simeon und Anna preisen sie glรผckklich, sondern alle Geschlechter derer, die an Jesus glauben und ihn anbeten – ebenso wie alle sie schmรคhen und lรคstern, die auch ihren Sohn schmรคhen. Auch gegen sie ist niemand gleichgรผltig.»

«Es heiรŸt, Maria und Josef wunderten sich รผber die Aussagen des hl. Simeon. Der Grund dieser Verwunderung kann gewesen sein entweder die fortgesetzte, gesteigerte wunderbare Offenbarung des Kindes durch so verschiedenartige Zeugen, himmlische und irdische, die Engel, die Hirten, durch Simeon und Anna, oder auch die neue Enthรผllung, welche Simeon รผber die Aufgabe und die Schicksale des Heilands brachte. Wenn auch Maria im allgemeinen diese Schicksale bekannt waren, so lรคsst sich doch ein stufenweiser Fortschritt dieser Kenntnis annehmen. Schon dass die Enthรผllung selbst von anderer Seite und mit solcher Bestimmtheit aufgesprochen wurde, musste das Herz der Mutter treffen, und gewiss nicht ohne Schmerz. Man kann wohl annehmen, dass dieses Schwert jetzt schon und zeitlebens in ihrem Herzen wรผhlte.»

Welche Bedeutung haben Simeon und Anna im geistlichen Sinne? «Im Reiche Christi sind Simeon und Anna die Vertreter der innerlichen Seelen, von denen die Welt nichts weiรŸ; die aber durch ihre Gebete und durch ihre geheimen Opfer die Herrschaft des Bรถsen in dieser Welt untergraben und zum Falle, das Gute aber zur Herrschaft bringen. Sie wirken gleich den unsichtbaren Krรคften der Natur und vermitteln stets die Offenbarung des Heilandes und die Dazwischenkunft Gottes in der Welt. Die Vorbereitung eines ganzen Lebens ist nicht zu viel fรผr diese Ehre und diesen Trost.»

Alle Zitate wurden dem Werk «Das Leben unseres Herrn Jesu Christi, des Sohnes Gottes» von Moritz Meschler S.J. (1898) entnommen.

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